Säulen

Der Gründer der Osteopathie, Andrew Taylor Still (1828 – 1917), beschrieb selbst drei wichtige Grundmerkmale, die bis heute die Ecksäulen der Osteopathie darstellen, wie folgt:

1. Struktur und Funktion

Wie schon im vorhergehenden Text beschrieben, stehen Struktur und Funktion in einer engen wechselseitigen Beziehung. Ändert sich die Funktion, dann ändert sich auch die Struktur. So wächst ein Knochen, wenn er ständig unter Druck- und Zugbelastung steht, und ein Muskel wird stärker, wenn man ihn trainiert. Werden Knochen oder Muskeln nicht mehr gebraucht, dann werden sie schwach oder verkümmern. Gleiches gilt für alle anderen Strukturen des Körpers. Für die Osteopathie ist dieses Prinzip der gegenseitigen Abhängigkeit von Struktur und Funktion wichtig. Denn Funktionsstörungen zeigen sich als beeinträchtigte Bewegungen einer Struktur. Indem der Osteopath die Bewegungen überprüft, kann er eine Funktionsstörung feststellen. Anschließend hilft der Osteopath mit seinen manuellen Techniken (mit seinen Händen) der Struktur zu ihren ursprünglichen Bewegungen zurückzufinden. Sind die Bewegungen der Struktur wieder frei und harmonisch, dann kann diese erneut in vollem Umfang funktionieren.

2. Untrennbare Einheit

Unser Organismus besteht aus unzähligen Strukturen, die alle miteinander direkt oder indirekt zusammenhängen. Den Zusammenhang stellen vor allem die Faszien her: dünne Bindegewebshüllen, die jede Struktur umgeben und gemeinsam eine große Körperfaszie bilden. Der Körper funktioniert und drückt sich immer als Ganzheit aus. Vergleichbar wie eine Schweizer Präzisionsuhr oder einem Sinfonieorchester. Jedes einzelne Teil ist wichtig und trägt zum Gelingen des Ganzen bei. Läuft ein Zahnrad im Uhrwerk nicht rund oder spielt ein Geiger falsche Noten, dann geht dir Uhr nach bzw. der Musikgenuss wird getrübt. Der Osteopath folgt mit seinen Händen den Faszien (Muskeln, Sehnen, Ligamente, Knochen, Bindegewebe) und gelangt so von einer Körperstruktur zur nächsten. Faszien können Veränderungen übertragen, wie etwa Funktionsstörungen. Dies erklärt, warum Ursachen an einer Stelle oft zu Beschwerden in ganz anderen Körperregionen führen können. Funktionsstörungen können deshalb immer den gesamten Organismus betreffen. Eine chronisch gestörte Funktion bedingt über die Zeit eine geänderte Struktur. Der Körper/Organismus kann die Struktur nicht mehr nach dem ursprünglichen Bauplan aufbauen. Dies kann auf Dauer zu Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und Krankheiten führen.

3. Selbstheilungskräfte

Gesundheit ist kein Ziel, das wir erreichen, sondern eine Art Gleichgewicht, wonach unser Körper unentwegt strebt. Das ist gar nicht so einfach, denn unser Körper ist ständig inneren und äußeren Einflüssen ausgesetzt, die ihn aus diesem Gleichgewicht bringen. Solange unser Körper dieses Gleichgewicht finden kann, sprechen wir von Gesundheit. Geht dieses Gleichgewicht verloren, dann erkranken wir. Die Fähigkeit unseres Körpers, Gesundheit zu halten oder bei Erkrankung wiederzuerlangen, verdanken wir seinen Selbstheilungskräften. Jede Körperzelle hat den gesunden Bauplan in sich gespeichert. Gibt es keine störende Informationen, wie z. B. Gelenkblockaden, chemische Intoxikationen durch z.B. Fehlernährung, psychisch-seelische Blockaden oder auch mentale Fixierungen (Glaubenssätze, etc.) dann kann sich die Zelle nach ihrem ursprünglichen Bauplan reproduzieren und Gesundheit manifestiert sich als logische Folge. Es ist immer der Körper, der sich regeneriert und heilt. Der Therapeut dient hierbei dem Organismus des Patienten. In diesem Sinne könnte man den Osteopathen als Katalysator verstehen, der heilende Prozesse durch sein Wirken (bene volens) anstösst und begleitet.